(N'nhaeirhu, Rikal)
Etwas erschöpft hatte sie ihr Büro erreicht, doch nach ihrer Ansicht war der Tag noch lange nicht zu Ende. So etliches musste noch erledigt werden. Doch zuerst musste sie sich irgendwie aus diesem Anzug befreien. Reinzukommen hatte sich als gar nicht so schwierig herausgestellt, nur das heraus kommen stellte scheinbar ein kleineres Problem dar.
Nach einigen Versuchen und circa zehn Minuten hatte sie aber den Dreh raus und sich des Schutzanzugs entledigt, dessen Einzelteile sie achtlos auf ihrer Couch fallen ließ.
Doch bevor sie sich ihrem Schreibtisch und ihrer Arbeit zuwandte, hielt sie inne. In diesem plötzlichen Moment der Ruhe ließ sie die vergangenen Stunden an sich vorbei ziehen. Sie bekam das Gefühl, als hätte sie diese Zeit überhaupt nicht bewusst gehandelt. Erst jetzt fielen ihr Dinge ein, die vorher im allgemeinen Chaos völlig untergegangen waren. Und sie dachte wieder an diesen Rihannsu. Hatte sie ihn wirklich nicht gesehen? Oder hatte sie einfach geschossen, in der Chance, einen Föderierten zu erwischen, und dabei ihre Umwelt überhaupt nicht wahrgenommen.
Nein, das konnte nicht sein. Es war ein Unfall gewesen, keine Absicht. Auch wenn er ein Tal’Shiar-Soldat war. Und auch wenn eine mörderische Schlacht zwischen den Rihannsu und den Sternenflottlern getobt hatte und für sie alles nur aufs Überleben hinaus gelaufen war, glaubte N'nhaeirhu nicht daran, daß ihr Gehirn diesen Rihannsu auf seinen Beruf als Kommandosoldat des Geheimdienstes reduziert und die Verbindung damit automatisch zu Iregh hergestellt hatte – den sie am liebsten tot sehen würde.
Das konnte nicht sein ... und es war auch nicht so. Es war ein Unfall gewesen.
Verwundert stellte sie fest, daß es sie offenbar doch irgendwie belastete, so eingehend, wie sich ihre Gedanken darum bewegten. Er war einer unter vielen gewesen, die heute gestorben waren. Er war jung gewesen, hatte sein ganzes Leben noch vor sich gehabt. Doch indem er in dieser Funktion für den Tal’Shiar tätig wurde, hatte er gewusst, worauf er sich einließ.
Nur einer von vielen, dachte sie sich.
Doch was war mit den fünf Marines, die im Auftrag, vor Rikals Quartier Wache zu halten, ebenfalls ihr Leben hatten lassen müssen. Auch sie gingen auf N'nhaeirhus Konto, wenn auch nur indirekt. Aber sie hatten gewissermaßen auch sie in Schutz nehmen sollen, immerhin hatte Iregh an ihr Rache üben wollen. Und so waren sie wegen ihr gestorben.
Die Liste der Crewmitglieder, die wegen ihr ihr Leben verloren hatten, war damit erneut länger geworden. Und daher beabsichtigte sie, niemandem etwas darüber zu sagen, insofern keine Untersuchung stattfinden würde.
Und mit einer ungewöhnlichen emotionalen Kälte strich sie jeden Gedanken an die Verstorbenen beiseite – sie waren tot und an Tote, die sie nicht kannte, länger einen Gedanken zu verschwenden, war zwecklos und brachte niemandem etwas – und machte sich daran, die nächsten Schritte bezüglich der Gefangenen zu planen.
Unbewusst fuhr ihre Hand an ihren linken Oberarm und stellte fest, daß das Gefühl allmählich zurückkehrte. Doch die Operation, die den Knochen und die Arterie wiederhergestellt hatte, lag doch schon einige Zeit zurück und jetzt noch Nachwirkungen zu haben war für ihren Geschmack etwas bedenklich. Gegenüber früheren Verletzungen schien die Rekonvaleszenz ungewöhnlich lang zu sein, weshalb sie sich eine mentale Notiz machte, bei nächster Gelegenheit mit Sora zu sprechen. Aber momentan gab es noch zu viel Arbeit für das medizinische Personal und sie konnte auch noch etwas warten.
Nach einiger Zeit, sie war gerade in einige Notizen vertieft, die sie sich für das Verhör der Gefangenen gemacht hatte, klingelte jemand an der Tür. Ohne Überraschung stellte sie fest, daß es der Riov war, der um Einlass bat.
„Herein“, sagte sie und blickte nur kurz auf, als der Leih durch die Tür trat. Dabei bemerkte sie, daß ihre Uniformjacke noch immer über dem Stuhl hing, hoffte jedoch, daß dieser Umstand nicht weiter ins Gewicht fiel.
„Jolan’tru, N'nhaeirhu“, meinte er und kam näher.
„Aefvadh, Riov. Was kann ich für Sie tun?“ Erst jetzt stellte sie richtig Blickkontakt her.
„Es geht um die Gefangenen der Sektion 31.“
Geistesgegenwärtig deutete die CIS auf einen der beiden Stühle, die vor ihrem Schreibtisch standen, als der Leih daneben zum Stehen gekommen war, und dankend nahm er das Angebot an und setzte sich.
„Ein Teil von ihnen, die Verletzten, sind zur Versorgung auf die Sternenflottenschiffe verlegt worden. Wir können sie aber jederzeit zurückbekommen, das hat mir Captain McDonough zugesichert.“
„Nun, ich denke, auf dieses Angebot sollten wir auf alle Fälle zurückkommen. Wobei ich bezweifle, daß man sie ohne weiteres zu uns zurück schicken wird!“
„Nun“, der Riov dachte kurz nach, „ich denke, er wird sein Wort halten. Sie sind weit weg von zu Hause und wir sind in der Überzahl. Außerdem hat er mir als Sternenflottencaptain sein Wort gegeben.“
Angesichts dieser Aussage musste N'nhaeirhu kurz lächeln, kommentierte das jedoch nicht.
„Stellt sich nur die Frage“, und sie wurde wieder ernst, „was für die anderen Sternenflottencaptains, an Bord deren Schiffe unsere Gefangenen sind, schwerer wiegt: die Zugehörigkeit zur Sektion 31 oder die Artgenossenschaft?“
„Eine gute Frage, die die Zeit beantworten wird!“ antwortete er.
„Wir sollten uns nur nicht zuviel Zeit lassen, Riov. Andernfalls ist von der Sektion nichts mehr da, wenn man etwas gegen sie in der Hand hat.“
„In der Tat. Und das werden wir auch nicht. Sobald sie versorgt sind, sollen sie zurückgebracht werden. Wir haben außerdem nicht alle Angehörigen der Sektion 31 an die Sternenflotte übergeben.“ Und N'nhaeirhu nickte.
„... was mir für heute noch eine Aufgabe gibt!“
Etwas verwundert hob Rikal eine Augenbraue.
„Nach so einem Tag wollen Sie noch Verhöre durchführen?“
„Ich tue nur, was getan werden muß. Und es wird eine willkommene ... Abwechslung sein!“ Ein Funkeln zeigte sich in ihren Augen und ein seltsames Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Doch der Riov ging nicht weiter auf diese Äußerung ein. Stattdessen betrachtete er den Laehval-Anzug, der auf der Couch lag und wechselte damit das Thema.
„Sie hatten Glück heute, so wie ihr Anzug aussieht.“
„Für wahr“, erwiderte sie knapp.
„N'nhaeirhu, ist alles in Ordnung mit Ihnen? Sie wirken ... anders als sonst auf mich.“
Geringfügig überrascht blickte sie den Leih an und hob dabei die Augenbrauen, ehe sie antwortete.
„Mir geht es soweit gut.“
„Aber?“ Er gab nicht auf, offensichtlich machte er sich Sorgen.
Vergiß diesen Rihannsu, hör auf, über ihn nachzudenken. Er ist tot, es war ein Unfall und jetzt ist es zu spät! schrie ihre innere Stimme, um sie davor zu bewahren, daß sie sich ihr Hirn zermarterte, denn sie war gedanklich doch wieder zu ihm zurückgekehrt.
„N'nhaeirhu, ich sehe Ihnen an, daß etwas nicht stimmt mit Ihnen!“
Doch die CIS zeigte sich nur irritiert, angesichts dieser Aussage. Sie hielt an ihrem Vorhaben fest.
„Oder irre ich mich?“ Doch N'nhaeirhu schwieg.
„Möchten Sie darüber reden?“ Er war hartnäckig, das musste man ihm lassen, und die Rihanna atmete tief durch.
„Sieht man es mir tatsächlich so deutlich an?“
„Wenn man sie besser kennt, ja. Sie sehen mitgenommen aus.“
„Der Tag war recht lang“, antwortete sie tonlos, aber froh darüber, sich aus der Affäre gezogen zu haben.
„Das ist wahr“, stimmte er schließlich zu. Auch er begann nun den Stress der letzten Stunden zu spüren und Müdigkeit senkte sich auf ihn herab.
„Aber wir haben gewonnen, wenn auch unter einigen Verlusten“, merkte sie an und traf unbeabsichtigt einen wunden Punkt. Er nickte, doch für einen kurzen Moment veränderte sich der Ausdruck in seinen Augen. Die längere Bekanntschaft, das Zusammenarbeiten, es beruhte auf Gegenseitigkeit. Und auch sie hatte gelernt, seine Mimik zu interpretieren, wie schwer ihn die Verluste einer Schlacht immer trafen – umso entschlossener war sie, nicht zu sagen, daß sie dazu beigetragen hatte. Noch nicht.
„Aber wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, rekkhai ...“
„Ie? Sicher dürfen Sie.“
„Sie sollten sich eine Pause gönnen.“
Ein Schmunzeln entstand in seinem Gesicht.
„Das könnte ich auch zu Ihnen sagen.“ Die CIS neigte leicht den Kopf und musterte den Riov aufmerksam. Das Schmunzeln verschwand.
„N'nhaeirhu, ich mache mir wirklich Sorgen um Sie.“
„Das ist nicht nötig, Riov.“
„Sie sehen aber so aus, als wenn ich es machen müsste. Irgendetwas ist geschehen, was Sie sehr mitgenommen hat. Auch wenn Sie es hinter Ihrer Professionalität verbergen, ich kann es sehen.“ Er machte eine kurze Pause. „Ich kenne Sie bereits eine Weile.“
Ertappt biss N'nhaeirhu die Zähne zusammen und entrang sich gleichzeitig ein leicht gequältes Lächeln, doch sie schwieg beharrlich. Rikal erwiderte das Lächeln aber, hob und senkte daraufhin die Schultern und erhob sich.
„Nun, wenn Sie darüber reden möchten und dies mit mir, dann wissen Sie, wo Sie mich finden.“ Die Rihanna bestätigte dies mit einem Nicken. Daraufhin wandte er sich um und ging Richtung Tür. Der Gedanke an sein Bett war momentan sehr verlockend, auch wenn es leer war. Denn Arrhae war noch immer auf der Krankenstation.
Verdammt noch mal, er ist dein Freund – sei ehrlich zu ihm! Das ist das Mindeste, was er verdient. Erneut atmete N'nhaeirhu tief durch und kurz bevor er die Tür erreicht und dem Bewegungsmelder ein entsprechendes Signal gegeben hatte, rang sie sich schließlich dazu durch, die Wahrheit zu sagen.
„Es war ein Unfall“, meinte sie leise. „Er stand in der Schußlinie, ich habe ihn aber nicht gesehen.“
Langsam drehte sich Rikal wieder herum und die CIS begegnete seinem Blick. Schließlich kam er zum Schreibtisch zurück und nahm wieder Platz. Offenbar wollte er dies nicht zwischen Tür und Angel klären.
„Das kommt vor.“ Und offenbar verstand er, was N'nhaeirhu mit einer gewissen Erleichterung erfüllte.
„Leider“, kommentierte sie.
„Man kann es nicht verhindern. Im Nahkampf passiert es. Leider.“
„Und es ...“, merklich zögerte sie bei diesen Worten, „tut mir leid.“
„Das tut es einem immer. Ich kenne dieses Gefühl. Während des Dominionkrieges habe ich auch einen Kamderaden getötet.“ Ein Moment der Stille folgte. „Wenn es Sie beruhigt, auch mir haben diese Erklärungen nicht geholfen, die ich Ihnen gerade gegeben habe.
„Ich danke Ihnen trotzdem.“
„Gern geschehen“, erwiderte er und nickte. Anschließend versuchte er zu lächeln und erhob sich wieder. Die Müdigkeit war ihm dabei recht deutlich anzusehen.
„Wenn Sie mit jemanden ausführlich sprechen möchten, kommen Sie ruhig zu mir. Ich werde für Sie da sein.“
„Danke.“ Warum nur hatte sie nicht mit einer solchen Reaktion gerechnet? Vermutlich war sie noch immer nicht hundertprozentig bereit, in diese Freundschaft zu vertrauen, auch wenn sie es wollte. Doch dieser Moment würde irgendwann noch kommen.
„Ich werde dafür sorgen, dass wir die Gefangenen zurückbekommen.“
„Und ich werde mich alsbald um die kümmern, die noch an Bord sind.“
„Gut.“ Er nickte. „Jolan'tru und schlafen Sie etwas.“
„Jolan'tru, Riov“, und damit verließ er ihr Büro.
Doch die CIS hatte noch nicht vor, schlafen zu gehen, und so schlug sie den Hinweis Rikals in den Wind. Irgendetwas drängte sie dazu, zu handeln. Und ihre Müdigkeit, hoffte sie, würde durch ihre natürliche Ausdauer bald bezwungen.
Sie schnappte sich die Notizen, die sie sich vor dem Gespräch gemacht hatte, schlüpfte in ihre Uniform und machte sich auf den Weg zu den Verhörräumen.
Die Situation an Bord war wieder komplett unter Kontrolle, keiner der Invasoren hatte mehr in irgendeiner Weise Gewalt über die Blutschwinge und die eigenen Truppen waren damit beschäftigt, Schäden zu beheben und Verletzte und Tote zu bergen. Doch in den Arrestzellen war immer jemand gewesen, so daß sie dort auch jetzt einen Ansprechpartner fand.
„Bringen Sie mir den Ranghöchsten der Gefangenen in den Vernehmungsraum 2!“ befahl sie über Interkom auf dem Weg zu ihrem Ziel.
„Wir haben hier zwei Lieutenants“, kam die Antwort und N'nhaeirhu war daraufhin etwas verdutzt.
„Wie kommt das?“
„Ein weiterer unverletzter Sternenflottenoffizier ist hier vor einiger Zeit von Dr. Chaz abgeliefert worden, mit der Bemerkung, daß er sich ergeben habe, keinen Widerstand bei der Verhaftung geleistet und der Ärztin freiwillig sein Gewehr überlassen habe.“
„Aha“, meinte N'nhaeirhu und merkte sich, sich bei Gelegenheit diesen Offizier mal näher anzusehen. „Ich meinte aber jenen, der zu der Fünfergruppe gehörte, die im Bereich der Mannschaftsquartiere aufgegriffen wurde.“
„Ssuay’ha, rekkhai“, kam die Antwort und der Kanal wurde geschlossen.
Als sie den entsprechenden Raum betrat, stellte sie zufrieden fest, daß der richtige Gefangene vor ihr saß. Und als sich die Tür hinter ihr schloß, kam sie langsam in Stimmung.
Einige Russspuren zeigten sich hier und dort an den helleren Stellen seiner Uniform, doch er spielte mit seiner Haltung gekonnt darüber hinweg, was in den letzten Stunden geschehen war. Aufrecht und ernst blickte er die Rihanna an – möglicherweise wusste er, was ihn erwartete. Doch N'nhaeirhu fühlte sich momentan in der Lage, die kühnsten Erwartungen dieses Mannes noch zu übertreffen.
Lediglich ein beständiges Blinzeln wies noch darauf hin, daß er einer Blendgranate ausgesetzt gewesen war. Und daher ließ es sich die Agentin nicht nehmen, die Helligkeit im Raum noch etwas zu erhöhen. Zwar war sie jetzt nahe der Unannehmlichkeit, doch N'nhaeirhus Augen würden sich daran gewöhnen, im Gegensatz zu den seinen. Er nahm nur noch dunkle Schemen in dem gleißenden Licht wahr, und nur auf kurzer Distanz konnte er scharf sehen.
Die CIS vergewisserte sich daraufhin, daß man ihm ordnungsgemäß Handschellen verpasst hatte, so daß es zwischendurch trotz seiner vorübergehenden Behinderung zu keiner ungewollten Unterbrechung kam. Dann wandte sie sich einem Schrank in der Wand zu, entnahm ihm einige Gerätschaften, legte sie auf einen nahe stehenden kleinen Tisch und kehrte zu dem Menschen zurück.
Geschickt fingerte sie an dem Reißverschluß seiner Uniformjacke, zog ihn auf und klappte die eine Seite über seine Schulter. Das Ganze wiederholte sie mit dem gelben Shirt, welches er unter der Jacke trug, so daß daraufhin seine rechte Schulter entblößt war. Jetzt störte nur noch der breite Träger des dunklen Untershirts, den sie jedoch mit Hilfe eines kleinen Dolches zerschnitt und entfernte. Schließlich nahm sie einen medizinischen Tricorder zur Hand, denn sie wollte, daß der Emulator an der richtigen Stelle platziert war, damit er bei Bedarf seine volle Wirkung entfalten konnte. Nebenbei stellte sie nicht ohne eine gewisse Genugtuung fest, daß sein Puls beträchtlich gestiegen war. Und dann setzte sie den Injektor auf die Haut genau über dem Nervenstrang am Schlüsselbein und aktivierte ihn. Der Mensch biss die Zähne zusammen, dennoch konnte er einen kurzen Schrei nicht unterdrücken. Doch beinah sofort ebbte der Schmerz wieder ab, als die Agentin den Injektor wieder entfernte.
„Sehen Sie, es ist schon vorbei, es gibt also gar keinen Grund zur Panik“, sagte sie freundlich und legte beide medizinischen Geräte wieder weg. „Diesen Grund bekommen Sie später noch.“
Der Emulator, den er eben eingepflanzt bekommen hatte, gehörte zu einer der neueren Errungenschaften der technischen Abteilung des Geheimdienstes. Es handelte sich um ein recht kleines, stäbchenförmiges Objekt, welches direkt an irgendeinen Nerv im Körper gehaftet wurde. Die Verbindungen zu dem Nerv stellte es dann selbständig mit Hilfe von Nanotechnologie her. Diese Art des Emulators genoß einige Vorteile gegenüber seinen alt gedienten Genossen. Er konnte unter anderem ohne größeren Aufwand auch von Personen implantiert werden, die nur eine medizinische Grundausbildung hatten und musste nicht am Rückenmark befestigt werden. Und er wies eine Neuerung auf. Bei den bisherigen Geräten war die Ausschaltung des Trägers durch die herkömmliche Funktion der Schmerzprojektion von statten gegangen, was unter Umständen schon mal etwas länger dauern konnte – abhängig von der Konstitution des Trägers. Bei dieser kleinen Erfindung dagegen reichte ein winzig kleiner Impuls aus, um kurzfristig alle Synapsen des Gehirns zu überladen und ihn auf der Stelle ausser Gefecht zu setzen.
„Nun denn, die Vorbereitungen sind getroffen. Und jetzt spielen wir ein Spiel. Ich erzähle Ihnen etwas und als Gegenleistung bekomme ich etwas von Ihnen zu hören.“ Sie trat vor ihn. „Ich bin Erie’rin t’Sshionsha und wer sind Sie?“
Jetzt, als er zum zweiten Mal diese Stimme hörte, fiel dem Lieutenant ein, woher er sie kannte. Es war dieselbe Person, die mit ihm im Gang über den verletzten Rihannsu debattiert und sich beharrlich geweigert hatte, zu verhandeln, wodurch er seinen Leuten vielleicht eine Rückkehr zu seinem Schiff hätte ermöglichen können. Doch da hatte er sich in den Rihannsu getäuscht ... und in N'nhaeirhu ganz besonders.
„Nun gut, Pinky ... wir haben Zeit, wir sind allein und ungestört. Und ich weiß ja nicht, wie es mit Ihnen aussieht, aber ich kann mich der Tugend der Geduld rühmen.“
Wieder zog er es vor, zu schweigen.
„Die meisten Ihrer Kameraden sind auf Sternenflottenschiffe gebracht worden, um sie zu versorgen. Nur Sie, ihre vier Kollegen und der Captain sind noch an Bord. Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, wie wir unsere Gefangenen behandeln ... die Gerüchte, die dazu in der Föderation kursieren sind allesamt untertrieben.“ Ein Lächeln zierte nicht nur ihr Gesicht, sondern schwang auch in ihrem Tonfall mit, damit es ihm auf keinen Fall entging.
„Frage ich mich nur, ob Ihre Kollegen von der Sternenflotte nicht vielleicht selbst daran interessiert sind, die Sektion 31 zur Rechenschaft zu ziehen.“ Die Agentin erkannte, daß es in dieser Sache durchaus zu einer Kooperation zwischen dem Reich und der Föderation kommen konnte, denn die Sektion hatte sich seit ihrem massiven Auftauchen in den späten 2370ern als ein Geschwür zu erkennen gegeben. War nur fraglich, inwieweit es die Föderation bereits infiziert hatte.
Aber das war jetzt nicht N'nhaeirhus Problem.
Sie wartete einige Minuten, umrundete mehrfach den Stuhl und betrachtete dabei ausgiebig den Menschen, wie er tapfer vor sich hin schwieg. Und dann musste sie leise kichern.
„Die Sektion nimmt wohl nur ganz harte Burschen in ihre Kreise auf!“
Doch selbst darauf reagierte er nicht. Und die CIS bemerkte anerkennend, daß er eine Herausforderung sein würde.
„In letzter Zeit“, ihre Stimme wurde nun ernster und war weniger von Freundlichkeit geprägt, „ist einiges nicht so gelaufen, wie es mir recht gewesen wäre. Daher ist meine Laune nicht unbedingt die Beste, obwohl ich mir Mühe gebe, wie Sie zugeben müssen.“ Sie setzte eine kleine Kunstpause und beobachtete seine Reaktionen, die erneut recht spärlich ausfielen. „Warum ich Ihnen das erzähle, wollen Sie bestimmt wissen? Um Sie vorzuwarnen – wenn Sie unkooperativ sind, wird es mir eine Freude sein, Sie leiden zu lassen!“ sagte sie fröhlich und war seinem Gesicht so nah, daß er ihr in die Augen blicken konnte.
„Sie sind dran!“
Ein Sprichwort lautete, je mehr man seine Feinde hasst, desto mehr wurde man wie sie.
Doch N'nhaeirhu hatte ihren Feind vergessen, sie hatte ihn verdrängt – den Alten von Parem – und war nun im Begriff, etwas zu tun, was sie an ihm verabscheut hatte.
Doch für die Rihanna hätte es auch einen gewichtigen Unterschied gegeben, wäre sie sich der Ähnlichkeit zu den Geschehnissen vor einiger Zeit bewusst gewesen – er war nur ein Mensch und sie tat ihre Arbeit.
-tbc-