Experten warnen vor Meteoritengefahr für Großstädte

Ezri

Administrator
Atomtest-Sensoren haben in den vergangenen Jahren 26 gewaltige Meteoritenexplosionen aufgespürt, die fast alle unbemerkt geblieben waren. Experten warnen vor City-Killer-Asteroiden.

Hamburg - Das weltumspannende Netz von Atomtest-Sensoren hat in den vergangenen 14 Jahren 26 große Detonationen aufgespürt, die nicht von Nuklearwaffen erzeugt wurden. Es handele sich um Meteoritenexplosionen, berichtet die Stiftung B612, die ein Frühwarnsystem gegen die Bomben aus dem All aufbauen will. Die meisten der Detonationen wären bislang unbemerkt geblieben.


Die Daten der internationalen Atomtest-Überwachungsbehörde CTBTO zeigten, dass Meteoriten häufiger auf die Erde träfen als angenommen, folgert die Stiftung, der namhafte Weltraumexperten angehören. Die CTBTO misst an 45 Stationen weltweit Druckwellen, die sich über die Luft ausbreiten.
Die Brocken hätten eine Sprengkraft von 1 bis 600 Kilotonnen TNT gehabt; die Atombombe von Hiroshima entfaltete 15 Kilotonnen. Nur einer der 26 kosmischen Vagabunden sei wenige Stunden, bevor er explodierte, entdeckt worden. Die anderen kamen ohne Vorwarnung. Sie seien zumeist abseits der Zivilisation über dem Meer explodiert, deshalb unbemerkt geblieben.


Überraschende Explosionen: Städte in Gefahr

Die Unkenntnis über drohende Einschläge entlarve das hohe Risiko durch "City-Killer-Asteroiden", also durch kosmische Bomben, die groß genug sind, erheblichen Schaden anzurichten, sagt der US-amerikanische Astronaut Ed Lu, ein Gründer von B612. "Da wir nicht wissen, wo und wann der nächste Einschlag passieren wird, ist das Einzige, was eine Katastrophe verhindert hat, pures Glück", betonte Lu in einer Mitteilung der Stiftung.
Könnte man im All umherschwirrende Brocken per Knopfdruck leuchten lassen, würde fast das gesamte Firmament blinken. Die Anzahl jener "erdnahen Meteoriten", die irgendwann die Bahn der Erde kreuzen könnten, errechnen Wissenschaftler auf ähnliche Weise wie Umfragen vor einer Bundestagswahl: Sie nehmen repräsentative Stichproben und schließen auf die Gesamtmenge. Die neue Stichprobe der CTBTO zeige, dass die Gesamtschätzung zu niedrig kalkuliert worden sei, meint die Stiftung.

Regionen im Sonnensystem werden bislang mühsam mit Teleskopen durchforstet, die Lichtreflexionen auswerten. Größere Objekte erkennen Astronomen recht schnell. Kleinere Geschosse fallen indes bestenfalls auf, wenn sie in der Nähe der Erde auftauchen. Mehr als tausend Brocken, die mehr als einen Kilometer dick sind, kreisen den Schätzungen zufolge auf potentiell gefährlichen Bahnen. Ein Einschlag dieser Riesen hätte verheerende Folgen für unsere Umwelt und würde die Erde für immer verändern - es wäre die größtmögliche Katastrophe.

Zehn Millionen 50-Meter-Bomben

90 Prozent der Giganten wurden bereits entdeckt. Doch es gilt die Regel: Je kleiner Meteoriten sind, desto häufiger sind sie. Halbe Größe bedeutet zehnfache Häufigkeit, lautet die Formel. So könnten etwa 100.000 Geschosse von 250 Metern Durchmesser und zehn Millionen 50-Meter-Brocken die Bahn unseres Planeten kreuzen, berechnen Astronomen. Schon ein Klumpen von 20 Meter Dicke könnte Städte erheblich zerstören.

"Weniger als 10.000 dieser gefährlichen Brocken wurden gefunden", sagt Lu. Auch der Asteroid, der vergangenes Jahr über der russischen Stadt Tscheljabinsk eine Sprengkraft wie 600.000 Tonnen des Sprengstoffs TNT entfaltet hatte, war ohne Vorwarnung gekommen. Der etwa 20 Meter dicke Trumm hatte erhebliche Zerstörungen angerichtet, obwohl er hoch oben in der Luft zerborsten war.

Die 26 gemessenen Explosionen der CTBTO zeigten, dass solch kleine aber dennoch gefährliche Kaliber offenbar häufiger kommen als angenommen, glaubt die Stiftung. Die Entdeckung der unbemerkten Einschläge könnte tatsächlich darauf hinweisen, dass bisherige Schätzungen zu vorsichtig waren, meint auch der Meteoritenforscher Mario Trieloff von der Universität Heidelberg. Für eine akkurate Bestimmung des Risikos mangele es jedoch an Fallzahlen.

Kleiner Schubser


Auch sein Kollege Alan Harris vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR bleibt zurückhaltend: Die Daten seien zwar beeindruckend, sagten aber wenig über die Häufigkeit größerer Objekte. "Ich bezweifele, dass man aufgrund der Daten etwas Zuverlässiges über die Häufigkeit von größeren Objekten sagen kann."
Gleichwohl könnten Einschläge häufiger sein als angenommen: "Ich hätte ein Einschlag mit Energie von zwei bis vier Meter Durchmesser dicken Meteoriten einmal pro Jahr erwartet", sagt Harris. Die B612-Daten zeigten nun, dass sie doppelt so häufig eintreten könnten. Weil die kleine Brocken aber normalerweise keine Schaden anrichten, sei das Ergebnis eher für Wissenschaftler interessant.

Die B612-Stiftung wirbt für ein privat finanziertes Infrarot-Teleskop im All. Es könnte anhand feinster Wärmestrahlung gefährliche Geschosse Jahre im Voraus erspähen, so dass Zeit für Abwehrmaßnahmen bleibt. Die Welt wäre nicht mehr auf Zufallsfunde der Teleskope angewiesen. "Wenn wir Asteroiden, die eine Stadt auslöschen können, früh genug entdecken, ist nur ein kleiner Schubser nötig, um sie auf einen ungefährlichen Kurs zu lenken", betonte der Astronaut Bill Anders auf einer Pressekonferenz der Stiftung in Seattle.

Von rätselhaften Phänomenen unseres Planeten erzählt Axel Bojanowski in seinem neuen Buch "Die Erde hat ein Leck" (DVA, 192 Seiten, 19,99 Euro)

Meteorit.jpg
 
Oben