Ezri
Administrator
+/\+ Krankenstation +/\+
„Sie soll mich nicht anfassen!“ Hysterisch überschlug sich seine Stimme. Trotz seiner schweren Verletzungen war seine Gegenwehr sehr heftig. Unerwartet heftig.
„Hören Sie, sie ist die Leiterin der Krankenstation. Sie ist Arrain und Angehörige des Hauses s’Drevoux.“
„Und wenn sie tr’Stasks Schwester wäre, sie soll mich nicht berühren.“ Schon längst war er vom Biobett hinunter geglitten und in eine Ecke des Behandlungsraumes gekrochen. Nach wie vor verlor er viel Blut. Schweiss stand ihm auf der Stirn und sein Gesicht war anämisch hellgrün. Knochensplitter schimmerten gelblich aus der blutgrünen breiigen Masse, die einmal sein rechtes Bein gewesen war. Textilfetzen seiner Arbeitskluft hingen wirr in der Wunde und wie im Widerspruch steckte sein Fuss in einem völlig unversehrten Schuh, welcher allerdings in einem völlig grotesken Winkel zu den Überresten des Beines stand.
Ich zog mich etwas in den Hintergrund zurück. Schnell reichte ich der mir am nächsten stehenden Schwester ein Hypospray zu. Ein kurzes Nicken von mir, dann verliess ich den Raum. Gegenüber der geschlossenen Tür lehnte ich mich an die Wand, schloss die Augen und atmete tief durch.
Seit dem Erdbeben auf Konsa 3 war unserer Station ohne Pause im Einsatz. Der Planet verfügte selber zwar über eine ausreichende medizinische Versorgung, aber diese war nur für den Normalfall ausreichend. Ein Erdbeben mit diesen Ausmassen war kein Normalfall. Selbst im Heimatsystem Eisn wäre ein solches Erdbeben kein Normalfall und würde zu medizinischen Engpässen führen. Auf Konsa 3, diese kleine Koloniewelt, war es eine Katastrophe.
Langsam zählte ich bis 10, dann öffnete sich die Tür. Die Narkose wirkte und die Schwester hatte ihn mit Hilfe der OP-Assistenz den Patienten wieder auf den OP-Tisch gelegt. Ein rihannischer Sklave war unterdessen dabei, den Fussboden von dem gefährlich rutschigen Blut zu befreien.
In mühseliger Sysiphus-Arbeit entfernten wir die Fetzen seiner Hose und säuberten die Knochen- und Fleischmasse, die mal ein Bein gewesen war.
Jeder einzelne Knochensplitter musste entfernt werden. Die Muskelfasern waren zerquetscht, wie ein weichgeklopftes Steak.
Immer wieder scannte ich die Überreste des Beines. Aber nichteinmal eine Sehne war noch intakt. Alle waren zerrissen.
Selbst wenn man den Knochen künstlich rekonstruieren würde, es gab weder Nerven noch Muskelmasse noch Sehnen, die man soweit herstellen könnte, dass er sein Bein wieder bewegen oder gar belasten könnte.
Und blieb nur die Amputation.
Sein Hüftgelenk war noch soweit in Ordnung, dass man dort eine Prothese installieren könnte. Seine exakten Körperdaten wurden beim nächsten Scann nochmals erfasst, besonders sein Gewicht und der Muskelapparat seines gesunden Beines. Während sich das Laserskalpell in meiner Hand sich durch gesundes Fleisch oberhalb dieser irrwitzigen Wunde frass, verarbeitete der medizinische Computer diese Daten und fing an eine Prothese zu konstruieren.
Das schrille Kreischen der Knochensäge tönte überlaut in der Stille des OP’s. Kurz spritzte erneut Blut aus dem Körper des Mannes, dann war die Blutung gestillt und ein undefinierbarer Haufen Fleisch, Sehnen und Knochenteile rutschte in einen metallischen Eimer. Er würde, wie alles Organische, dem Kreislauf zugeführt werden, der uns auf langen Reisen ernährte.
So schnell diese Arbeit erzählt war, dennoch dauerte sie fast drei Tarim lang. Und als ich endlich fast fertig war, fing der medizinische Replikator an, eine passende Prothese für den Mann zusammen zusetzen.
Er würde wieder laufen können, er würde wieder arbeiten können, aber er würde nicht mehr der sein, als der er mal geboren wurde.
Und wenn er erwachte würde er sich ekeln, denn irgendwie würde er wissen, dass ich ihn doch berührt habe. Und er würde mich hassen. Aber der Hass würde ihn helfen, sich wieder in sein Leben einzugliedern.
Es war nun mal nicht die Zeit auf Konsa 3, sich mit der Xenophobie der Rihannsu zu befassen, die hier lebten.
Seltsam und auch wieder nicht. Aber Soldaten, die im Krieg verwundet sind, sind erstaunt, dass es passiert, aber sie haben damit rechnen müssen. Opfer einer solchen Naturgewalt sind so sehr überrascht, dass sie keine Zeit haben erstaunt zu sein.
Einige kanalisieren ihren Schock und entwickeln zum Beispiel eine starke Xenophobie, andere sind einfach nur lethargisch und wieder andere reagieren mit übergrosser Religiosität.
Die Tempel der Elemente waren noch nie so gut besucht wie jetzt. Auch der Tempelraum des Schiffes war rund um die Uhr mit Rihannsu gefüllt.
Mein Team war am Rande der Erschöpfung und ich wies an, dass nur noch die aller schwersten Fälle zu uns kam. Die Mediziner des Planeten mussten mit dem gewaltigen Rest zurechtkommen. Darauf konnte ich keine Rücksicht nehmen, ich musste an meine Leute denken, sie mussten auch noch funktionieren, wenn wir hier längst wieder weg waren.
-tbc-
„Sie soll mich nicht anfassen!“ Hysterisch überschlug sich seine Stimme. Trotz seiner schweren Verletzungen war seine Gegenwehr sehr heftig. Unerwartet heftig.
„Hören Sie, sie ist die Leiterin der Krankenstation. Sie ist Arrain und Angehörige des Hauses s’Drevoux.“
„Und wenn sie tr’Stasks Schwester wäre, sie soll mich nicht berühren.“ Schon längst war er vom Biobett hinunter geglitten und in eine Ecke des Behandlungsraumes gekrochen. Nach wie vor verlor er viel Blut. Schweiss stand ihm auf der Stirn und sein Gesicht war anämisch hellgrün. Knochensplitter schimmerten gelblich aus der blutgrünen breiigen Masse, die einmal sein rechtes Bein gewesen war. Textilfetzen seiner Arbeitskluft hingen wirr in der Wunde und wie im Widerspruch steckte sein Fuss in einem völlig unversehrten Schuh, welcher allerdings in einem völlig grotesken Winkel zu den Überresten des Beines stand.
Ich zog mich etwas in den Hintergrund zurück. Schnell reichte ich der mir am nächsten stehenden Schwester ein Hypospray zu. Ein kurzes Nicken von mir, dann verliess ich den Raum. Gegenüber der geschlossenen Tür lehnte ich mich an die Wand, schloss die Augen und atmete tief durch.
Seit dem Erdbeben auf Konsa 3 war unserer Station ohne Pause im Einsatz. Der Planet verfügte selber zwar über eine ausreichende medizinische Versorgung, aber diese war nur für den Normalfall ausreichend. Ein Erdbeben mit diesen Ausmassen war kein Normalfall. Selbst im Heimatsystem Eisn wäre ein solches Erdbeben kein Normalfall und würde zu medizinischen Engpässen führen. Auf Konsa 3, diese kleine Koloniewelt, war es eine Katastrophe.
Langsam zählte ich bis 10, dann öffnete sich die Tür. Die Narkose wirkte und die Schwester hatte ihn mit Hilfe der OP-Assistenz den Patienten wieder auf den OP-Tisch gelegt. Ein rihannischer Sklave war unterdessen dabei, den Fussboden von dem gefährlich rutschigen Blut zu befreien.
In mühseliger Sysiphus-Arbeit entfernten wir die Fetzen seiner Hose und säuberten die Knochen- und Fleischmasse, die mal ein Bein gewesen war.
Jeder einzelne Knochensplitter musste entfernt werden. Die Muskelfasern waren zerquetscht, wie ein weichgeklopftes Steak.
Immer wieder scannte ich die Überreste des Beines. Aber nichteinmal eine Sehne war noch intakt. Alle waren zerrissen.
Selbst wenn man den Knochen künstlich rekonstruieren würde, es gab weder Nerven noch Muskelmasse noch Sehnen, die man soweit herstellen könnte, dass er sein Bein wieder bewegen oder gar belasten könnte.
Und blieb nur die Amputation.
Sein Hüftgelenk war noch soweit in Ordnung, dass man dort eine Prothese installieren könnte. Seine exakten Körperdaten wurden beim nächsten Scann nochmals erfasst, besonders sein Gewicht und der Muskelapparat seines gesunden Beines. Während sich das Laserskalpell in meiner Hand sich durch gesundes Fleisch oberhalb dieser irrwitzigen Wunde frass, verarbeitete der medizinische Computer diese Daten und fing an eine Prothese zu konstruieren.
Das schrille Kreischen der Knochensäge tönte überlaut in der Stille des OP’s. Kurz spritzte erneut Blut aus dem Körper des Mannes, dann war die Blutung gestillt und ein undefinierbarer Haufen Fleisch, Sehnen und Knochenteile rutschte in einen metallischen Eimer. Er würde, wie alles Organische, dem Kreislauf zugeführt werden, der uns auf langen Reisen ernährte.
So schnell diese Arbeit erzählt war, dennoch dauerte sie fast drei Tarim lang. Und als ich endlich fast fertig war, fing der medizinische Replikator an, eine passende Prothese für den Mann zusammen zusetzen.
Er würde wieder laufen können, er würde wieder arbeiten können, aber er würde nicht mehr der sein, als der er mal geboren wurde.
Und wenn er erwachte würde er sich ekeln, denn irgendwie würde er wissen, dass ich ihn doch berührt habe. Und er würde mich hassen. Aber der Hass würde ihn helfen, sich wieder in sein Leben einzugliedern.
Es war nun mal nicht die Zeit auf Konsa 3, sich mit der Xenophobie der Rihannsu zu befassen, die hier lebten.
Seltsam und auch wieder nicht. Aber Soldaten, die im Krieg verwundet sind, sind erstaunt, dass es passiert, aber sie haben damit rechnen müssen. Opfer einer solchen Naturgewalt sind so sehr überrascht, dass sie keine Zeit haben erstaunt zu sein.
Einige kanalisieren ihren Schock und entwickeln zum Beispiel eine starke Xenophobie, andere sind einfach nur lethargisch und wieder andere reagieren mit übergrosser Religiosität.
Die Tempel der Elemente waren noch nie so gut besucht wie jetzt. Auch der Tempelraum des Schiffes war rund um die Uhr mit Rihannsu gefüllt.
Mein Team war am Rande der Erschöpfung und ich wies an, dass nur noch die aller schwersten Fälle zu uns kam. Die Mediziner des Planeten mussten mit dem gewaltigen Rest zurechtkommen. Darauf konnte ich keine Rücksicht nehmen, ich musste an meine Leute denken, sie mussten auch noch funktionieren, wenn wir hier längst wieder weg waren.
-tbc-