(Arrhae t’Riuurren, N'nhaeirhu t’Sshionsha, Rikal tr’Drevoux)
Nachdem das Schiff komplett gesichert worden war, begab sich Arrhae zurück auf die Blutschwinge, um ihren Kopf soweit frei zu bekommen, um ihrem Vorgesetzten ohne die allmählich angestaute Wut unter die Augen treten zu können. Doch als sie an der Tür zu Rikals Bereitschaftsraum klingelte, kochten ihre Emotionen wieder hoch und sie hatte Mühe, ihren Ärger im Zaum zu halten. Selten zuvor hatte eine Person sie so sehr in Rage versetzt, nicht einmal die überzogenen Anschuldigungen des Tal’Shiar, mit denen man sie vor einem Jahr konfrontiert hatte.
„Herein“, klang die ruhige Stimme von innen und die Io’Saehne kam der Aufforderung nach. Ohne zu zögern trat sie ein und schritt direkt bis zum großen Schreibtisch, hinter dem Riov tr’Drevoux saß.
„Aefvadh“, grüßte sie der Form halber.
„Aefvadh, Arrhae“, erwiderte Rikal und blickte auf. „Kann ich etwas für dich tun?“
„Mir erklären, was es mit deiner Tal'Shiar Agentin auf sich hat! Ich bin dem Umgang mit solchen Leuten unter einem Flottenkommando nicht mehr gewöhnt. Aber ich weiß nicht, ob das rechtens ist, was sie da abzieht.“
Überrascht hob Rikal vorerst lediglich eine Augenbraue und bot seinem Ersten Offizier einen Platz an, den sie jedoch ausschlug. Arrhae spannte alle Muskeln ihres Körpers an, um mittels ihrer Konzentration darauf ihre gute Erziehung nicht zu vergessen.
„Was hat N'nhaeirhu denn getan?“ fragte Rikal schließlich und lehnte sich etwas zurück.
„Ich habe erie'Rin t'Sshionsha dabei erwischt, wie sie mein Büro verwanzen wollte.“
„Oh, sie lässt wohl nach“, war die einzige Reaktion, die erfolgte und Arrhae glaubte ihren Ohren nicht trauen zu können.
„Wie bitte?“
„Nein, ich weiß, was du meinst“, spielte dabei darauf an, dass er selbst mehrfach schon diverse kleine technische Spielereien in seinen vier Wänden gefunden hatte.
„Und wieso nennst du sie eigentlich beim Vornamen?“ sprach sie aus, was ihr noch einen Moment zuvor aufgefallen war.
„Weil ich dich auch beim Vornamen nenne.“ Wobei sich da bald vermutlich etwas ändern wird ..., womit er eher auf N'nhaeirhu anspielte.
Arrhae indes kniff nur die Augen zusammen. „Verstehe. Auch wenn’s mir vielleicht nicht zusteht, wäre ich gern darüber informiert, welche ... "Beziehungen" du gerade zu dieser Frau pflegst. Ich habe nichts zu verbergen, das weißt du. Aber ich hatte in letzter Zeit genug Umgang mit diesen Leuten.“ Und Rikal spürte allmählich deutlich, wie sehr Arrhae verärgert war.
„Wir sind befreundet. Nicht mehr und nicht weniger. Genau wie mit Dir.“
„Nun, dann werde ich mich wohl damit arrangieren müssen“, womit sie tief durchatmete und nun doch Platz nahm.
„Du mußt Dich nicht damit arrangieren, dass sie dein Büro verwanzt. Ich hoffe für sie, dass sie meins nicht verwanzt hat.“ Diese vage Sorge entlockte Arrhae ein schwaches Lächeln. „Ich könnte das mal wieder überprüfen...“
„Ich meinte eher, dass ich mich mit dieser Dreiecksbeziehung arrangieren müsste, die zwischen euch und zwischen uns funktioniert. Aber meines Feindes Feind ist noch lange nicht mein Freund, oder wie war das?“
„Ich habe bereits begriffen, dass ich euch beide besser nicht zusammen einlade“, meinte Rikal etwas geistesabwesend.
„Vergeht sie sich denn öfter an deiner Privatsphäre?“
„Gelegentlich.“
„Und das tolerierst du?“ fragte Arrhae entsetzt.
„N'nhaeirhu hat eine sehr enge Definition von Privatsphäre. Privat ist nur mein Quartier, bei meinem Büro bin ich mir nicht so sicher. Sie ist Tal'Shiar und damit von Natur aus paranoid.“
„Sie scheint sich ja einen Spaß daraus zu machen, ihren Freunden hinterher zu spionieren“, meinte Arrhae etwas frustriert.
„Es ist ihre Aufgabe auf diesem Schiff. Sie soll Spione und Verräter finden.“
„Dann hält sie mich also für einen Verräter ...“, erwiderte die Io Saehne und schnaufte verächtlich.
„In diesem Raum sind aber keine Abhöreinrichtungen und ich werde N'nhaeirhu deutlich machen, dass ich weder in meinem Büro, noch in deinem noch im Konferenzraum Überwachungsanlagen haben will.“
„Nimmt sie denn deinen Willen zur Kenntnis?“ Arrhae hatte da ihre lieben Zweifel dran. „Und befolgt sie ihn auch?“
„Sie wird recht folgsam, wenn man sie im Würgegriff hat und gleichzeitig ihren Arm verdreht. Wir haben bis vor einiger Zeit zusammen trainiert“, erläuterte er kurzerhand.
„Ich habe eher den Eindruck, daß sie recht freizügig ist und nur ihr eigener Herr“, womit sie ziemlich ins Schwarze traf.
„Sie ist halt Tal'Shiar, aber sie weiß auch, dass ich ungemütlich werden kann, wenn sie ihre Grenzen überschreitet und dabei erwischt wird. Bisher ist es dazu aber nicht gekommen. Für gewöhnlich respektiert sie meine Wünsche.“
„Nun gut. Das beruhigt mich etwas. Wobei ich nicht die Hoffnung hege, dass dies für mich irgendwann auch gilt.“
„Ansonsten empfehle ich, dass ihr das von Frau zu Frau regelt.“
„Was auch immer du damit jetzt meinst ...“, und Arrhae unterließ es, genauer darüber nachzudenken. Es war anzunehmen, dass er gerade gedanklich ein Klischee bediente.
„Ein klärendes Gespräch“, setzte er hinzu, als er Arrhaes Gesichtsausdruck versuchte zu deuten, und die Rihanna lächelte verstehend.
„Gibt es sonst noch etwas, was du mir über sie wichtiges erzählen könntest?“
„Sie ist gut in dem was sie tut, sehr gut sogar.“
„Gilt dies auch für das Schmieden von Intrigen?“
„Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Vermutlich ja, aber das kann ich auch ganz gut.“
Ein schwacher Trost, wie sie empfand.
„Bisher hat sie so etwas an Bord dieses Schiffes noch nie getan.“
„Nur nachdem was ich in ihrer Akte gelesen habe, ist sie nicht mehr dieselbe wie noch vor einem Jahr.“ Arrhae war es nicht leicht gefallen, an diese Akte zu gelangen und hatte einige Register ziehen müssen, um Einblick zu erhalten.
„Ie. Es ist einiges passiert, auf der anderen Seite des Tores.“
„Ich wäre zu gern dabei gewesen“, gestand sie.
„Das glaube ich gern.“
Schließlich erhob sich Arrhae.
„Ich hab noch einiges zu tun. Ich werde sehen, wie sich das Problem lösen lässt.“
„Jolan’tru, Arrhae“, verabschiedete der Kommandant seinen Ersten Offizier daraufhin und erhob sich ebenso.
Sie erwiderte den Gruß, diesmal ruhiger als noch vor einigen Minuten. „Und danke für deine Informationen.“
Nach dem ersten, etwas missglückten Vernehmungsversuch hatte N'nhaeirhu angeordnet, einen anderen Gefangenen in den Verhörraum zu führen und Ensign tr’Radaik sein Glück versuchen zu lassen. Nur für den Fall, dass etwas schief ging, hatte sie Sanra in den benachbarten Beobachtungsraum gerufen, jedoch in der Hoffnung, dass sie nicht eingreifen musste. N'nhaeirhu unterdessen wollte einer Frage auf den Grund gehen.
Schnurstracks hielt sie auf den Bereitschaftsraum des Leihs zu, als sie gerade eben noch einen Schatten um die Ecke biegen und damit entschwinden sah. Sich ihre eigenen Gedanken dazu machend klingelte sie schließlich bei Rikal.
Erneut erklang das „Herein“, woraufhin sich die Tür öffnete und einen Kommandanten der Blutschwinge präsentierte, der mit einem aktiven Tricorder in der Hand etwas zu suchen schien. Neugierig nahm N'nhaeirhu Notiz davon, sprach den merkwürdigen Umstand jedoch nicht an.
„Aefvadh rekkhai.“
„Oh, hallo N'nhaeirhu“, erwiderte er, deaktivierte den Tricorder und legte ihn beiseite.
„Komme ich ungelegen?“ fragte sie leicht amüsiert, ahnte sie doch, was er getan hatte.
„Keineswegs, ich habe nur gerade etwas überprüft.“
„Darf ich fragen was?“
„Ob Sie auch meinen Arbeitsraum verwanzt haben.“ Woraufhin sich die Agentin ein Grinsen gönnte. „Ie, die Io Sahene war gerade hier.“ Nach einer kurzen Pause bot er N'nhaeirhu einen Stuhl an, auf den sie sich gelassen fallen ließ.
„Hab ich doch richtig gesehen, wer da eben um die Ecke und aus meiner Sichtweite floh.“
„Gut möglich.“
„Aber ich bin wegen etwas anderem hier. Erein Jorek tr'Radaik!“
„Ich höre?“
„Gibt es einen Grund, warum er mir als ... "Verbindungsoffizier“ zugeteilt wurde?“ Und es wurde deutlich, wie wenig N'nhaeirhu darüber begeistert war.
„Einen in Ihrer Person liegenden? Nein.“
„Tatsächlich nicht?“ hinterfragte die Agentin misstrauisch.
„Er ist auch dem Sicherheitschef zugeteilt.“
„Ja, ich weiß. Aber ich habe dennoch den Eindruck, dass das Ganze kein Zufall ist.“
„Er soll helfen die beiden Abteilungen besser miteinander zu verschweißen.“
„Wie bitte?“ Und N'nhaeirhu traten vor Ungläubigkeit über das, was sie hörte, fast die Augen aus dem Kopf.
„Kommunikationsprobleme beseitigen und ähnliches.“
„Diese Probelme wird ein einziger Mann zwischen Flotte und Geheimdienst nie lösen können“, warf N'nhaeirhu ein.
„Nur auf meinem Schiff, nur auf meinem Schiff“, wog Rikal ab.
„Ich glaube, ich verstehe.“ Was N'nhaeirhu jedoch wirklich glaubte, behielt sie für sich.
„Schön.“
„Wobei ich eher den Eindruck habe, unter Beobachtung zu stehen.“
Was nur fair ist, du beobachtest uns ja auch, merkte Rikal gedanklich an.
„Sie werden nicht beobachtet. Nicht von Erein Jorek“, sagte der Leih daraufhin laut. „Niemand auf diesem Schiff, der auf mich hört, überwacht Sie. Fragen Sie lieber ihre lieben Kollegen.“
„Sollte ich vielleicht wirklich. Meine Vorgesetzten haben ja nach den Ereignissen der vergangenen Mission doch etwas gezögert, mich wieder einzusetzen ...“
„Ich weiß. Aber Sie sind wieder hier.“ Und er war froh darüber, zumindest bisher. „Ist Ihnen nun klar, weshalb Erein Jorek hier ist?“
„Hm ... zum Teil.“
„Schön. Wegen Arrhae und ihrem Büro ...“
„Ja?“ fragte N'nhaeirhu scheinheilig.
„Was sollte das?“ Gemächlich aber angespannt lehnte er sich zurück und faltete die Hände über dem Bauch.
„Wieso verwanzen Sie das Büro meines Io Saehne? Was sollte das?“
„Fragen Sie mich das ernsthaft?“
„Ie. Sie war nur wenig begeistert.“
„Das habe ich gemerkt.“
„Und?“
„Aber was soll ich tun? Ich habe auch einen Job zu erledigen. Und das wissen Sie. Er gefällt Ihnen nicht, aber das kann ich nicht ändern.“
„Ja, das weiß ich. In der Tat. Aber ich habe eine Bitte. Keine Abhöreinrichtungen in meinem Bereitschaftsraum, im Konferenzraum und im Büro der Io Saehne!“ Daß dies keiner Bitte sondern einer Aufforderung entsprach, war klar.
„Zur Kenntnis genommen.“ N'nhaeirhu fuhr auf Provokationskurs.
„Nur zur Kenntnis genommen?“ Und ihre Rechnung ging auf, weshalb sie sich ein hintergründiges Lächeln gestattete.
„Wenn die beiden wichtigsten Personen auf diesem Schiff ihre Differenzen nicht lösen, dann hat dieses Schiff ein Problem. Wenn das Schiff ein Problem hat, dann habe ich ein Problem. Sie wissen, dass ich keine Probleme mag“, erläuterte Rikal.
„Ja, das ist mir nicht neu.“
„Ich würde mich freuen, wenn Sie und Arrhae ihre Reviere abstecken würden. Damit Sie möglichst selten aneinander geraten“, schlug der Leih vor.
„Das wird schwer werden. Sie ist Io'Saehne, ich Tal'Shiar Agent vom Dienst ...“
„Arrangieren Sie sich. Wie ist mir egal“, und Rikals Tonfall machte deutlich, daß es ihm tatsächlich egal war.
„Nun gut, ich werde sehen, was dabei herauskommt.“ Rikal nickte nur als Reaktion. „Dann wünsche ich Ihnen noch einen angenehmen Tag, Rikal“, meinte sie, erhob sich und wandte sich der Tür zu.
„Jolan’tru, N'nhaeirhu“, grüßte er abschließend und hoffte, demnächst keinen Grabenkrieg zwischen zwei der einflussreichsten Personen an Bord am hals zu haben.
Nachdem N'nhaeirhu das Büro verlassen hatte, verschwendete sie vorerst keinen Gedanken an das Problem. Stattdessen wollte sie sehen, wie sich ihr neuester Schützling schlug und kehrte in den Vernehmungsraum zurück.